Also über den freien Willen müssen wir uns nicht streiten, oder? Das ist doch wohl völlig klar, daß „ich“ hier bewusst und frei meine Entscheidungen treffen. Wie sollte es auch sonst sein?
Ist das denn wirklich wahr? „Freier Wille“ würde ja bedeuten, daß Du Dich in Deiner Entscheidung von nichts beeinflussen läßt, und daher eben völlig frei entscheiden kannst. Das kann ja schon mal grundsätzlich nicht sein, denn bei einer Entscheidung wird ja zwischen zwei oder mehr Alternativen ausgewählt, in dem man die verschiedenen Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt. Also liegt die Entscheidung doch gar nicht bei mir, sondern steckt bereits in äußeren Umständen, die ich nur beurteile. Und diese persönliche Beurteilung geschieht auch nicht frei, denn Deine Präferenzen ergeben sich aus Deinen bisherigen Erfahrungen und weiteren Umwelteinflüssen.
Sagen wir mal ich würde Dir zwei verschiedene Dinge anbieten, zwischen denen Du „völlig frei“ wählen kannst: eine Büroklammer auf der einen Seite und 1000 Euro auf der anderen Seite. Für was würdest Du Dich entscheiden? Natürlich für das Geld, oder nicht? Es sei denn, Dein Leben hinge gerade zufällig vom Besitz einer Büroklammer ab… Egal wie Du Dich wirklich entscheidest, könnten wir wahrscheinlich sehr schnell Dutzende Faktoren ausmachen, die zu der Entscheidung geführt haben. Bei einigen könnten wir uns darüber streiten, ob es wirklich äußere Faktoren sind, oder sie nicht eigentlich Deinem „freien Willen“ unterliegen. Bei anderen wirst Du zugeben müssen, daß Du eindeutig von aussen bei Deiner Entscheidung beeinflußt worden bist.
Ich finde aber einen ganz anderen Punkt viel interessanter: wie frei ist Deine Entscheidung, wenn ICH doch vorgegeben habe, zwischen welchen Dingen Du Dich entscheiden kannst? Was, wenn ich aus der Büroklammer eine Million Euro gemacht hätte: hättest Du Dich dann auch für die 1000 Euro entschieden? Und wieso beschäftigst Du Dich gerade mit dieser Entscheidungsfrage? Auch nur wegen mir.
Wie Schopenhauer schon gesagt hat: „Du kannst zwar tun was Du willst – aber nicht wollen, was Du willst.“ Natürlich ist da das Erleben eine Entscheidung getroffen zu haben. Aber einen wirklich freien Willen kann ich dahinter nicht entdecken. Immer spielen so viele Faktoren eine Rolle, die ich überhaupt gar nicht beeinflussen konnte. Im Grunde müsste man jede Entscheidungskette bis zum Urknall zurückverfolgen können und müssen. Wo steckt darin „mein freier Wille“?