Für A.

Wir haben lange gechattet. Es scheint so, als wenn wir zwei teilweise sehr unterschiedliche Perspektiven haben. Doch am Ende unseres Gesprächs hätten wir uns beinahe am gleichen Punkt getroffen. So kam es mir jedenfalls vor. Daher würde ich da gerne nochmal ansetzen.

Du hast geschrieben:

Das Ich ist nicht wirklich im Sinne des Absoluten […] – aber es IST eben nicht Illusion – denn ich weiß nie VORHER ob es Täuschung ist oder Nicht-Täuschung, daher ist auch Illusion Wahrheit und ebenfalls „leer“ also ohne Substanz. Wenn ich um die Leerheit der Phänomene weiß, kann ich sagen “ Ich weiß ES nicht“ – weil ES eben auch nur ein leeres Phänomen ist, was immer ES ist.

[…] Körper ist auch „ich“ und Wahrnehmung, Bewusstsein auch – also neben den Sinneseindrücken und den Gedanken bleibt als letzte Entität das Körperliche. Und die Angst vor dem Tod. Vor Vernichtung. Ich vermute mal, dass das auch der Grund für Advaita und Neo-Advaita ist – die Frage, wie die Angst vor dem Tod bewältigt werden kann. Das hat dann zur Ausflucht ins Religiöse geführt – zum Glauben an Gott. Das beruhigt auch. Und auch der Glaube, es gäbe kein Ich – das wäre ein Gespenst. Das ist ein Glaube. Aber die Todesangst ist kein Gespenst, sondern wirklich.

Das – darüberhinaus gibt es kein sonstiges Ich – das ist vollständig identisch mit der Erfahrung, die du machst. Jetzt. Das lässt sich nicht vollständig beschreiben […]. Das aber bist du nicht – ganz. Was bleibt ist die Offenheit, über die man eben nichts wissen kann.

Nein, das Ich ist keine Illusion. Aber es ist auch nicht das, wofür es normalerweise gehalten wird. Es ist nur ein Konzept. Nicht absolut wahr – wenn man so will. Das, was wirklich wahr ist, was die Wahrheit hinter all dem ist (Du nennst es ES), kann nicht gewusst werden. Aber ES ist auch nicht nur ein leeres Phänomen. Ein Phänomen würde ja auch in die Welt der Objekte gehören. Aber die Frage ist doch: was kann man über das Subjekt sagen? Nichts.

Wenn das gesehen wird, kann es eigentlich keine Angst mehr vor Vernichtung oder Tod geben. Was sollte denn vernichtet werden? Der Körper ist auch nur ein Objekt der Wahrnehmung. Was geschieht denn dem Wahrnehmenden, wenn der Körper verletzt wird? Die Art der Erfahrung ändert sich vielleicht von Freude zu Schmerz. Aber ist das mehr als ein Umschalten des Fernsehprogramms?

Das, worüber wir beide nur indirekt sprechen, erkenne ich in Deinem letzten Absatz. Es ist identisch mit der Erfahrung hier und jetzt – und doch ist es das nicht ganz. Viel mehr kann man darüber vielleicht nicht sagen – aber wissen kann man es schon. Man kann es absolut und unumstößlich wissen – oder es auch nur mit einem Wort wirklich ausdrücken zu können.

Ich sehe zwei Perspektiven, zwei unterschiedliche Wege das Selbe auszudrücken.