Es war so, wie ich es erwartet hatte. Genau genommen hatte ich mich sogar darauf gefreut. Beim Eintauchen in die laute Musik und als Teil der vielen Menschen, verliert das „Ich“ mehr als sonst seine Glaubwürdigkeit.
Im Grunde ist es einfach spannend zu beobachten, wie dieses „Ich“, die Person, eigentlich nur aus einer ganz bestimmten Perspektive überhaupt existiert. Die Person ist nur dann „wichtig“, wenn ich mein „Blickfeld“ auf einen Maßstab von „Metern“ einstelle. In diesem Maßstab sehe ich individuelle Menschen. Personen. Jede mit ihrem eigenen Namen, persönlichen Eigenschaften, einer Geschichte, usw.
Wenn ich aber eine Lupe nehmen würde, meinen Maßstab also auf „Millimeter“ einstelle, ist das Bild schon ein völlig anderes: ich sehe z.B. die Struktur der Haut. Da gibt es Falten, unterschiedliche Farben der Haut, Haare… Es gibt noch einen gedanklichen Bezug zu der Person, der diese Hautpartie „gehören“ mag – aber eigentlich ist das Individuum schon nicht mehr zu erkennen.
Geht man noch näher ‚ran, befindet man sich schon auf der Ebene von Atomen und Elementarteilchen. Wo ist hier die Person? Atome sind nicht individuell. Ich kann noch ein Wasserstoff- von einem Sauerstoff-Atom unterscheiden, aber wo ist „ich“ auf dieser Ebene? Selbst wenn ich mir jedes Atom einzeln ansehe, das auf der Meter-Ebene „mich“ formt – fügt sich dieses Bild dann zu der Person zusammen, die ich in dem anderen Maßstab noch wahrgenommen habe? Hat diese Person irgendeine Bedeutung auf der Atom-Ebene? Kann sie Einfluss nehmen?
Jetzt zoomen wir mal weit heraus auf „Kilometer“. Menschen werden zu Städten und Ländern. In der Nacht sieht man die erleuchteten „Adern“ innerhalb und zwischen den Städten. Ich kann mir noch vorstellen, dass die Menschen dort wie Ameisen umherwimmeln. Aber welche Bedeutung hat das Individuum noch in diesem Spiel? Würde mir aus dieser Perspektive auffallen, wenn einer fehlt? Ist der Einzelne aus dieser Perspektive überhaupt wichtig?
Im nächsten Sprung sehe ich die Erde als Planeten auf ihrem Weg um die Sonne. Ist es nicht völlig egal, ob Menschen überhaupt existieren? Würde es in unserem Sonnensystem überhaupt auffallen, wenn alles Leben auf der Erde ausgelöscht wäre? Geradezu abwegig ist der Gedanke, dass „ich“ oder irgendeine andere Person auf dieser Ebene überhaupt irgendeine Bedeutung hat. Und ich könnte noch weiter herauszoomen…
Was wir als sooo wichtig wahrnehmen, existiert nur in unserer eigenen Erlebniswelt. Das „Ich“ schmilzt schon bei dem kleinsten Maßstabssprung. Es ist nicht mehr als eine Funktion auf einer bestimmten, sehr begrenzten Ebene der Existenz. Noch dazu ist es selbstreferenziell: es definiert und bestätigt seine Existenz selbst.
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Es gibt noch einen radikaleren Perspektivwechsel. Hinaus aus der Welt der Dinge. Jenseits der Illusion des „Ich“. In die Leere des Nicht-Wissens. Hinein in die Stille, aus der alles andere hervorgeht. Aus dieser Perspektive ist selbst die Existenz des Universums unbedeutend…